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Menschen und Kulturen verstehen

Die Wissenschaft der Ethnologie bzw. kulturellen Anthropologie

GEFEATUREDLEBENREISENSPRACHEN

8/29/20243 min read

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Was ist Ethnologie bzw. Kulturanthropologie?

Ethnologie, auch als kulturelle Anthropologie bekannt, ist die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit dem Studium menschlicher Kulturen, ihrer sozialen Strukturen, Bräuche, Traditionen und Überzeugungen beschäftigt.

Im Mittelpunkt steht das Verstehen und Dokumentieren der Vielfalt menschlicher Lebensweisen, insbesondere aus einer vergleichenden Perspektive.

Ethnologinnen und Ethnologen untersuchen, wie Menschen in verschiedenen Gesellschaften leben, ihre Welt wahrnehmen, ihre sozialen Beziehungen gestalten und Bedeutung in ihrem Leben finden.

Dabei geht es um das Erfassen sowohl gegenwärtiger als auch vergangener Kulturen, mit besonderem Interesse an indigenen und nicht-westlichen Gesellschaften.

Unterschied zur Anthropologie

Während die klassische Anthropologie, oft auch physische oder biologische Anthropologie genannt, sich vorwiegend mit der biologischen Evolution des Menschen, seiner physischen Merkmale, und seiner genetischen Diversität beschäftigt, fokussiert die Ethnologie sich auf kulturelle Phänomene und soziale Aspekte.

Anthropologinnen und Anthropologen untersuchen beispielsweise menschliche Fossilien, die Evolution des Homo sapiens, und die genetische Variation in Populationen.

Ethnologinnen und Ethnologen hingegen konzentrieren sich auf kulturelle Praktiken, Rituale, Glaubenssysteme und die sozialen Organisationen von Gemeinschaften.

Beide Disziplinen teilen jedoch das Interesse am Verständnis des Menschseins in all seinen Facetten, wenn auch aus unterschiedlichen Perspektiven.

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Entwicklung der Disziplin

Die ethnologische bzw. kulturelle Anthropologie entwickelte sich im 19. Jahrhundert als eigenständige Disziplin, als europäische Kolonialmächte in Kontakt mit einer Vielzahl bisher unbekannter Kulturen kamen.

Die frühe Ethnologie war stark von kolonialen Kontexten geprägt und diente oft dazu, fremde Gesellschaften zu katalogisieren und zu klassifizieren.

Pionierarbeiten von Forschern wie Lewis Henry Morgan, Edward B. Tylor und James Frazer legten den Grundstein für die Disziplin, indem sie Theorien über kulturelle Evolution und gesellschaftliche Entwicklung aufstellten.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts erlebte die Ethnologie bedeutende methodologische und theoretische Veränderungen.

Die Feldforschung, insbesondere durch lange Aufenthalte in den untersuchten Gemeinschaften, wurde zur Standardmethode.

Als zentrale Figuren dieser Phase gelten Bronisław Malinowski und Franz Boas. Sie legten den Fokus auf das Verständnis von Kulturen aus der Sicht ihrer Mitglieder und distanzierten sich von evolutionären und eurozentrischen Modellen.

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Ein Mehrwert für die Gesellschaft

Ethnologinnen und Ethnologen bringen wertvolle Einsichten in die Vielfalt menschlicher Lebensweisen und tragen zur Förderung von Verständnis und Toleranz gegenüber kulturellen Unterschieden bei.

Ihre Arbeit hilft, Vorurteile abzubauen, indem sie zeigen, dass es viele verschiedene, aber gleichermaßen gültige Arten gibt, die Welt zu sehen und zu organisieren. Die Erkenntnisse der Ethnologie können praktisch auf aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen angewandt werden.

In Bereichen wie Entwicklungszusammenarbeit, Migration, Integration, Gesundheit und Bildung helfen ethnologische Studien, Programme und Politiken zu entwickeln, die kulturell sensibel und wirkungsvoll sind.

In NGOs, staatlichen Institutionen oder internationalen Organisationen ist die Expertise der Ethnologinnen und Ethnologen gefragt, um Brücken zwischen Kulturen zu bauen und soziale Gerechtigkeit zu fördern.

Die Ethnologie bzw. kulturelle Anthropologie leistet einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der menschlichen Vielfalt und zur Lösung globaler Probleme, indem sie Einblicke in die Art und Weise bietet, wie Menschen ihr Leben in unterschiedlichen kulturellen Kontexten organisieren und deuten.

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Bedeutung der Ethnologie für mich

Das Studium der Ethnologie hat mich in meiner Gewissheit bestätigt, wie vielfältig und faszinierend menschliche Kulturen sind und wie wichtig es ist, unsere eigene Perspektive kritisch zu hinterfragen.

Für andere Kulturen interessiert habe ich mich bereits mein ganzes Leben. Auch fremde Sprachen habe ich immer mit Begeisterung gelernt. Auf meinen Reisen Menschen vor Ort kennenzulernen, fiel mir zum Glück immer leicht.

Durch die akademische Auseinandersetzung mit anderen Weltbildern wurde ich in Ergänzung sensibilisiert, kulturelle Unterschiede noch respektvoller zu betrachten.

Auch die Sprache und Perspektive, mit der ich mich auf andere Menschen beziehe und über sie spreche, ist eine andere.

Diese Sensibilität hat mir den Zugang zu spannenden Menschen und Gemeinschaften eröffnet und meinen Horizont weit über das hinaus erweitert, was ich zuvor kannte.

Mein ethnologisches Wissen rufe ich im Berufsleben und in meinem Alltag jederzeit ab, sei es durch interkulturelle Kommunikation oder die Reflexion über soziale Dynamiken, um Brücken zwischen unterschiedlichen Lebenswelten zu bauen.

Sensibilität für kulturelle Unterschiede und die Fähigkeit, sich in andere Perspektiven als die eigene hineinzufühlen, sind meines Erachtens essenzielle Soft Skills für alle Menschen.